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Strandpost

Bild von Nancy Steffens auf Pixabay
Weg durch die Dünen zum Meer

 

Die Fächer schienen überzuquellen von gelben Briefen mit Urkunden. So viele hatte ich in all den Jahren meiner Dienstzeit nie gesehen. Andere Post hielt sich in Grenzen. Das Zweirad hinter mir wartete darauf, dass ich meine Leerung beendete, um danach mit ihm auf die andere Seite der offenen Anlage zum Sortierspind zu fahren. Das Wetter heute war wohl zu schön, denn bereits um diese Uhrzeit, es war nicht einmal neun Uhr geworden, belagerten Menschen mit Sonnenschirmen und Handtüchern den Rundweg zu beiden Seiten. Selbst mitten auf dem glatt gepflasterten Weg hatte schon jemand ein Zelt aufgestellt. Ich schnappte meine Beutel mit den Sendungen und die leere Zustelltasche, ließ meinen Scooter einfach stehen und ging mürrisch meckernd weiter, um meinen Spind zu erreichen. Die fröhlichen Leute nahmen keine Notiz von mir und scherten sich nicht darum, dass sie mir die Arbeit ungemein erschwerten. Alle, wirklich alle Sortierspinde wurden von den Ausflüglern in Beschlag genommen. In jedem Fach lagen Kleidung, Handtücher oder auch Sonnencreme. Nur das letzte kleine alte baufällige, aber überdachte, Regal hatte bisher niemand für seine privaten Zwecke entfremdet. Da ich meine Tour genau kannte, konnte ich die verwitterten Beschriftungen ignorieren und mit dem Sortieren beginnen. Für jeden Abschnitt der Route nutzte ich ein Fach, die meisten schienen morsch zu sein, die kleinen Türen hingen schief und drohten heraus zu fallen, kaum dass man sie geöffnet hatte.

Um mich herum schnatterten und lachten die Menschen. Es wurden immer mehr, die das schöne Sommerwetter am Meer genießen wollten, das hinter den Dünen, auf der anderen Seite des Weges, an den gelb-weißen Sandstrand brandete. Noch ehe ich mit dem Ordnen fertig war, wollte ein junger Mann seine Sachen in dem Spind ablegen, an dem ich immer noch beschäftigt war. Ich ranzte ihn an und er zog sich erschrocken zurück.

Die fertig sortierte Post packte ich ordentlich in meine Zustelltasche, verstaute darin auch meine beiden Beutel und ging zurück zu meinem Scooter. Nun konnte der angenehmere Teil des Arbeitstages beginnen, sobald ich die Menschen nahe des Strandes hinter mir gelassen hatte. 

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