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34. Das große Festmahl

Bild von Katja S. Verhoeven auf Pixabay
Ein rustikales Gedeck

Nachdem alle im Saal ihren Platz eingenommen hatte, eröffnete der Vorsitzende die Zusammenkunft.

„Der Rat der Ältesten von Ubar Dûm trifft sich heute außerplanmäßig wegen eines Vorfalls während der wöchentlichen Essensschlacht der Goblins. Verursacher des Unmuts sind zwei uns unbekannte Zwerge, Foret und Daril, die behaupten, aus der Stadt der Ahnen, Takal Dûm, gekommen zu sein. Kommandantin Ulgra, was war passiert?“, fragte er die resolute Zwergin, die uns von Beginn an unfreundlich behandelt hatte. Ulgra erhob sich, verbeugte sich vor den Ältesten und begann zu berichten: „Vorsitzender Kulo, erhabene Ratsmitglieder, inmitten des großen Getümmels der Goblins war mit einem Male alles still geworden. Kurz darauf hörte ich die Goblins mehrmals ‚Zwerge‘ rufen und der übliche Tumult begann von Neuem. Kurz darauf waren sie wieder leise geworden und der Häuptling rief etwas von einem Regelverstoß. Ich sah nach, was wohl vorgefallen sei und fand diese beiden Zwerge beschmutzt an der Wand stehend vor. Sie hatten ihre Waffen gezogen und versuchten anscheinend zur Küche zu gelangen. Ich wies sie an, sich zu reinigen und ließ sie dann in die Kommandantur bringen. Viel Brauchbares konnte ich ihnen nicht entlocken. Mein Bericht liegt dem Rat vor.“ Sie wirkte immer noch verärgert darüber. Die Ältesten nickten.

Rechts vor mir saß ein alter Zwerg mit wildem blondem Haarschopf, der als nächster das Wort ergriff. Er schaute mich mit wissbegierigem Blick an. „Wie seid ihr in den Speisesaal gekommen? Alle Wege nach draußen sind entweder bewacht oder versiegelt.“, wollte er von mir wissen. Ich tat es Ulgra gleich und stand auf, ehe ich dem Rat meine Antwort gab. „Mein Name ist Daril, Sohn des Redin. Ich habe den Zugang unter der Landmarke aktiviert, um die Stadt betreten zu können. Durch das ‚Zwiebeltor‘ gelangten wir an einen magisch versiegelten Durchgang, dessen Rätsel wir lösten und so passieren konnten. Am Fuße der Treppe trafen wir auf die uns seltsam vorkommende Essensschlacht der Goblins. Wir hatten vor, uns möglichst unbemerkt vorbei zu schleichen, was aber misslang. Die Goblins entdeckten uns, woraufhin Kommandantin Ulgra erschien. Alles Weitere ist wohl bekannt.“, erklärte ich unser plötzliches Erscheinen.

Ein anderer Ältester, zwei Plätze links des Vorsitzenden, meldete sich zu Wort. „Und ihr beide lauft einfach so durch die Oberwelt, ohne einen Gedanken an die Menschen zu verschwenden? Entweder seid ihr sehr mutig, schlicht dumm oder ihr wollt uns zum Narren halten.“, warf uns der alte Zwerg vor, dessen vernarbtes Auge das auffälligste äußere Merkmal war. Der füllige Zwerg rechts von Kulo reagierte darauf: „Hamit, du tust den jungen Herren Unrecht. Unsere Stadt ist nach außen so gut abgesichert, dass wir schon lange mit den Menschen nichts mehr zu tun haben. Möglicherweise haben sie uns gar vergessen. Wenn der Zugang, den die beiden nahmen wieder verschlossen ist, dann wird es keine Probleme geben. Dass jemand am Markierungspunkt war, ist schon lange her. Ich glaube ihm.“ Als Bestätigung schenkte er mir ein Lächeln und ein wohlwollendes Nicken.

Foret meldete sich, der Vorsitzende Kulo bedeutete ihm, reden zu dürfen. „Foret werde ich genannt, Sohn des Tumnil, aus der Gilde der Metbrauer von Takal Dûm.“, begann er. Die Ratsherren, insbesondere der rotblonde direkt vor mir, zeigten Anerkennung in ihren Gesichtern. „Die Landmarke machte tatsächlich den Anschein, ein Teil der natürlichen Umgebung geworden zu sein. Der Sockel war kaum auszumachen. Nachdem wir die Stele als zwergischen Ursprungs erkannt hatten, untersuchten wir das Gebilde näher und folgten den Inschriften. Während ich mich schlafen gelegt hatte, aktivierte mein Freund Daril den Zugang und weckte mich daraufhin. Als wir die Treppe hinab gingen, verschloss sich der Weg von allein. Die siebente Stufe schien der Auslöser für den Verschlussmechanismus gewesen zu sein. Eine menschliche Siedlung ist unserer Einschätzung nach nicht in der Nähe. Wir wurden übrigens von einem Pilzling zur der Landmarke gebracht, der von einem Wurzelmännlein beauftragt wurde, uns behilflich zu sein, euch hier zu finden.“, umriss Foret den Hergang unseres Erscheinens.

 

Der grauhaarige Zwerg direkt links neben Kulo ging näher auf unsere Vorträge ein: „Ich bin Brog. Auch mir kommt eure Geschichte plausibel vor. Du sprachst eben von einem Pilzling und dem Wurzelmännlein, das finde ich sehr interessant. Zu der Zeit, als unsere Großeltern und deren Mütter und Väter sich hier ansiedelten, mussten wir anfangs in der Oberwelt unsere Ressourcen beschaffen. Dabei gerieten wir an ein Baumwesen, das sich um kleine Pilzmännchen gekümmert hatte. Das Wurzelmännlein, wie du es nanntest, legte kreisrunde Flächen an, auf denen die pilzförmigen Männchen ruhten. Wir kamen mit dem Baumwesen zu der Übereinkunft, ihn und seine Pilzlinge nicht wieder zu stören. Damit gab er sich zufrieden und wir zogen uns irgendwann ganz in den Untergrund zurück. Zum Einen wurden uns die Menschen zu lästig, zum Anderen lief unsere eigene Nahrungsproduktion an, was uns von der Oberwelt unabhängig machte. Unsere Väter stellten die Landmarke fertig und versahen sie mit einem Zauber, der Saatgut schneller wachsen lässt. Indem man den Inschriften Folge leistet, sollte sich der Zugang zur Stadt öffnen. Ihr habt unter Beweis gestellt, dass dort alles noch in bester Ordnung ist. Ich danke euch dafür. Willkommen in den Hallen der Ernährer, Wanderer.“ Brog strahlte eine Freundlichkeit aus, die mir sehr gut tat. Direkt vor mir saß ein Mann mit einer knolligen Nase, die von rotblonden Zöpfen eingerahmt wurde. Seine goldglänzenden Augen fixierten mich. „Daril, Sohn des Redin. Irgendwie meine ich, dass mir dein Name etwas sagen sollte, aber mir fällt es nicht ein. Wir sollten uns später bei einem Becher Met unterhalten.“ Ältester Hamit mit der alten Verletzung am linken Auge drängte auf eine zügige Befragung: „Zum Saufen kommst du noch früh genug, Akhdir. Wir sollten hier fertig werden und entscheiden, was wir mit den beiden machen. Sie sind Zwerge, aber trotzdem Fremde. Hatten unsere Vorfahren nicht alles getan, dass es uns hier in dieser Stadt für immer gut gehen würde? Wollen wir diese Errungenschaften wirklich aufs Spiel setzen wegen zwei dahergelaufenen Khazâd, die uns alles Mögliche erzählen könnten? Wir könnten sie einfach hier behalten und einsperren, wenn sie wieder weggehen wollten.“ Mit einem flachen Hammer schlug Kulo auf den Tisch. „Ruhe, Hamit! Solange wir unsere Besucher nicht kennen, gibt es ein Risiko, da gebe ich dir Recht. Da sie Zwerge sind, halten sich meine Zweifel bezüglich ihrer Ehrlichkeit aber in Grenzen. Sie haben unsere Stadt gesucht und auch gefunden. Hat jemand einen Vorschlag, wie wir die Angelegenheit zur Zufriedenheit aller Zwerge Ubar Dûms regeln können?“

 

Auf diese Frage hin regte sich zum ersten Mal das Ratsmitglied, das ganz weit rechts in der Reihe saß. Seine sich im Licht spiegelnde Glatze stand im Kontrast zu dem üppigen, gepflegten Bart, der ihn mit vielen kleinen schwarzen Zöpfen wohl kleidete. „Am einfachsten ist es doch, gemeinsam zu essen und zu trinken, um ins Gespräch zu kommen. Ich greife Akhdirs Anmerkung auf und möchte die gesamte Geschichte von Daril und Foret während eines ausgiebigen Frühstücks hören.“ Kulo ergriff nochmals das Wort und fragte: „Wir stimmen ab: Festmahl oder Gefängnis. Handzeichen für das Festmahl bitte jetzt!“ Fünf der alten Zwerge hoben ihre Hände für die Abstimmung: Uzâdín, Brog, Maslín, Akhdir und Salis. Hamit verschränkte seine Arme vor der Brust und schaute düster auf Foret und mich. Kulo hob zuletzt auch noch die Hand. Sein Zögern sollte wohl die Wichtigkeit der Entscheidung unterstreichen. Der Vorsitzende des Ältestenrates von ‘Ubar Dûm verkündete schließlich: „Wir werden unsere Gäste auf das Beste bewirten und dabei unser Wissen teilen und vergrößern. Es ist beschlossen!“

Bedienstete öffneten die großen Türen der Ratshalle, Maika trat ein und winkte nach Foret und mir. „Kommt. Nun seid ihr offiziell Gäste der Stadt. Ich bringe euch in ein angemessenes Quartier. Pelok wird euch das Gepäck bringen. Er scheint euch zu mögen und deshalb habe ich ihn dazu abgestellt, euch bei uns behilflich zu sein. Er wird an Ulgra und mich Bericht erstatten über alles, was ihr tut und sagt. Wir wollen keinen Unfrieden in der Stadt.“, setzte uns die resolute junge Zwergin in Kenntnis. „Nun gut, wir folgen Euch, Maika.“, bestätigte Foret das Gesagte, was auch meiner Meinung entsprach.

 

Das Ratsgebäude verließen wir durch den Haupteingang, dann bog die Ratsgehilfin links ab und wir folgten ihr entlang der Wand zu einem nahe liegenden Eingang, der von einem Ornament aus Blättern geschmückt war. Drinnen gab es einen Tresen und zwei Sitzbänke, im hinteren Bereich führte hinter einem Durchgang eine Treppe nach oben, wohin die junge Frau uns führte. Dort befanden sich zwei getrennte Schlafräume, die für zwergische Verhältnisse üppig ausgestattet waren. Maika zeigte uns die Zimmer und erklärte uns kurz die Einrichtung. Ein weiches Bett, Licht, das durch Berührung ein- und ausgeschaltet werden konnte, fließendes Wasser in einem abgeteilten Bereich und ein reich ausgestatteter Vorrat an Getränken machten das Herz eines Zwergen recht froh. Seit wir uns kannten würden Foret und ich zum ersten Mal in getrennten Zimmern schlafen, dabei hatte ich mich doch sehr an seine ständige Nähe gewöhnt, selbst sein nächtliches Schnarchen störte mich schon lange nicht mehr. Gerade als die junge Zwergin uns allein lassen wollte, traf Pelok mit unseren Sachen ein. „Es freut mich, dass ihr hier seid und nicht in Verwahrung.“, begrüßte er uns und überreichte mir die Bündel und Taschen. Forets Besitz gab ich direkt an ihn weiter. „Danke Pelok, dass du dich so gut um uns kümmerst. Mir scheint, du hast es unter Ulgra nicht wirklich leicht. Du hast dein Herz am richtigen Fleck, da würde ich es begrüßen, wenn du uns zugeteilt bleiben könntest. Immerhin kennst du dich hier aus, Foret und ich hingegen sind neu hier und könnten Hilfe gut gebrauchen.“, redete ich ihm zu. Er nickte dankbar. „Das ist nett von Euch. Ja, für die meisten hier bin ich einfach nur ein Laufbursche, ihnen ist es gleich, ob ich meine Ausbildung abschließen kann oder nicht. Mich würde es schon glücklich machen, als vollwertiger Koch arbeiten zu können. Aber nun beeilt euch bitte, die hohen Herren warten im großen Speisesaal auf euer Eintreffen.“

Wir nickten und gingen jeder in sein eigenes Zimmer. Ich legte die Kampfausrüstung ab und erfrischte mich kurz, ehe ich mir bequemere Sachen anzog. Als Oberteil wählte ich ein Leinenhemd mit floralen Stickereien am Kragen, das Maria für mich geschneidert hatte. Dazu passte meine helle Baumwollhose. Anderes Schuhwerk als die Stiefel aus dem Hartfels hatte ich nicht, denn sie taten noch immer einen guten Dienst für mich und sie waren sehr gut eingelaufen. Auch meinen geliebten Gürtel mit den Täschchen und Beuteln legte ich an. Größeres Werkzeug und Waffen ließ ich zurück, dann trat ich auf den Flur, wo Pelok bereits ungeduldig wartete. Als auch Foret in bequemer Kleidung erschien, bat er uns, ihm zu folgen.

Wir gingen nochmals am Tor des Ratsgebäudes vorbei und durchschritten den nächsten Torbogen. Der große Raum glich dem verwüsteten Speisesaal, in dem die Goblins gewütet hatten, sehr. Die Aufteilung mit den sieben Tafeln und dem großen Tresen war identisch mit der anderen Räumlichkeit, an der linken Wand erhob sich hier aber ein Podest, auf dem der Ältestenrat an einem großen Tisch Platz genommen hatte. Der Saal schien mir beinahe überfüllt, so viele Zwerge hatten sich hier versammelt.

 

Der Khazdith geleitete uns zu ihnen, wo Maika wieder erschien und uns Sitzplätze gegenüber des Rates zuwies. Kulo begrüßte uns mit einem Nicken und begann zu sprechen: „Willkommen Volk von Ubar Dûm! Begrüßt mit mir unsere Gäste Foret und Daril, die einen weiten, schwierigen Weg in Kauf genommen hatten, um uns zu besuchen. Wollen wir ihnen unsere Gastfreundschaft zeigen, während sie von sich und ihrer Wanderschaft erzählen. Bringt Bier, Met und Essen auf die Tafeln!“ Alle Anwesenden jubelten, nur der Älteste Hamit zeigte seine Abneigung.

Nur wenige Augenblicke später traten Zwerge und Zwerginnen an den Tisch, die Tonkrüge voller Bier und zwei kleine Fässchen mit Met brachten, die sie auf die Tafel stellten. Dann folgte der erste Gang des Festmahls, kaum dass wir einen Schluck des dunklen Bieres probieren konnten. In großen Schüsseln wurden gebratene Höhlenpilze mit grünen Bohnen gereicht, Teller und Besteck bekam jeder direkt an seinen Platz gebracht, sodass man sich selbst nehmen konnte. Als Gäste ließ man Foret und mir den Vortritt. Salis, der blonde mit den wilden Haaren wandte sich an mich: „Nun erzählt, Daril, woher kommt ihr und wie kamt ihr darauf, dass wir hier zu finden wären?“ Ich nickte, kaute fertig und trank endlich einen großzügigen Schluck von dem süffigen Dunkelbier, ehe ich zu reden begann.

“Als unser aller Vorfahren die große Stadt Takal Dûm verließen, blieb eine kleine Gruppe zurück, um unsere Geschichte lebendig zu erhalten und das Wissen unseres Volkes zu bewahren. Sie beschlossen, mich magisch einzuschließen und mich wecken zu lassen, wenn die Zeit gekommen sein würde, die Zwerge wieder zu vereinen. Ich bin Daril, Sohn des Redin. Man hatte mich dazu bestimmt, die Zeit zu überdauern, um unser versprengtes Volk wieder zueinander zu führen. Es mag dreißig Sonnenläufe her sein, dass ich aus meinem Schlaf in einer Steinkapsel erwacht bin. Seitdem musste ich mich in einer neuen Welt der Menschen zurechtfinden und meine eigene Vergangenheit erkunden. Ich hatte Hilfe von mythischen menschenähnlichen Personen, Elfen und Zwergen, ohne die ich heute nicht hier bei euch wäre. Mein Kamerad Foret wachte über die Stadt der Ahnen, bis ich ihn dort antraf. Er nahm sein Erbe sehr ernst und folgte mir dann zu den Erzformern nach Mebel’aban und auch zur Enklave der Wissenden in den Kallâ Atâr. In beiden Städten fanden wir neue Verbündete, die eigenständig die Suche nach den anderen Gilden fortsetzten, nachdem wir Gabil’urdûm hinter uns gelassen hatten. Die Steinformer hatten dort eine Stadt errichtet, die aber wohl nur als Durchgangspunkt errichtet worden war und heute einem alten Berggeist als Wohnstatt dient. Im großen Archiv unterhalb von Tumunkazor konnte ich in Erfahrung bringen, welche Wege die einzelnen Clans eingeschlagen hatten. Ein Chronist hatte seine Aufzeichnungen dort hinterlegt. Wir erlebten einen Krieg der Menschen und dessen Nachwirkungen am eigenen Leib, was uns zum Glück der richtigen Gegend nahe brachte, aber auch viel Zeit kostete. Ein Baumwesen half uns, den Zugang zu eurem wundervollen Zuhause zu finden.“, fasste ich das Geschehene zusammen.

 

Als ich meinen Bierkrug ergriff, setzte Foret fort: „Ich kann fast alles bestätigen, was Daril erzählt hat, denn ich war ja nicht bei seiner Reise nach Takal Dûm dabei, weil ich dort über die Stadt wachte und die Rückkehr Darils erwartete, wie schon meine Vorväter. Ich war der letzte lebende Zwerg in der Stadt der Ahnen, nur um den geerbten Auftrag zu erfüllen. Mit dem Auftauchen Darils war ich von der Pflicht entbunden und folgte ihm aus freien Stücken. In den letzten gut zwanzig Sonnenläufen wurden wir zu besten Freunden. Wir ergänzen uns sehr gut und haben so manches Abenteuer überstanden. Unsere Mitstreiter aus dem Hartfels und den Kalten Tunneln wandten sich westwärts, um die Steinformer ausfindig zu machen, während wir uns nach Norden wandten. Im Sandstein fanden wir einen verlassenen Steinbruch, wo wir unseren Weg bestätigt sahen. Wir nutzten den Flüchtlingsstrom der Menschen, um ohne großes Aufsehen nordwärts voranzukommen, bis wir nur noch zwei Tagesreisen von diesem Gebirge entfernt waren und uns gen Westen durchschlugen. Von unserer Begegnung mit dem Wurzelmännchen und seinen Pilzlingen wisst ihr bereits.“

Da ich vor mir nur den Ältestenrat sah, nicht aber das Publikum, konnte ich nur hören, wie erstaunt die Leute hinter mir von unseren Ausführungen waren. Brog, der Gärtner prostete mir zu, was mich dazu animierte es ihm gleichzutun und ich nochmals einen großen Schluck aus dem Bierhumpen nahm, der ihn zum ersten Mal leerte. Foret tat sich am goldenen Met gütlich, den er in höchsten Tönen lobte. Sein Bier schob er zu mir herüber, das ich dankend annahm und mit ihm anstieß.

Der nächste Gang wurde eingeläutet, indem Kulo mit seinem Hammer drei Mal auf den Tisch schlug. Alsbald wurde das Geschirr vom Tisch geräumt und neu eingedeckt. Nun wurden gedünstete Kohlrabi gebracht, zu denen sich eine weiße Soße und gebratene Fleischstücke gesellten. Maslîn, der Koch im Ältestenrat, kommentierte, was aufgetragen wurde: „Wir züchten Schweine und Hühner in speziell erhellten Bereichen unserer Stadt. Niemand von uns war seit zwei Generationen oben gewesen. Dass es Fleisch zu essen gibt, kommt nicht oft vor, aber zu solch einer Gelegenheit haben Uzâdíns Leute etwas mehr zu tun. Für gewöhnlich kümmern sie sich um die langfristige Lagerung der Fleischwaren. Sie pökeln und räuchern das Meiste, nur selten bekommen wir in den Küchen Frischfleisch zum Kochen. Wenn es soweit ist, geben wir uns bei der Zubereitung besonders viel Mühe.“, erklärte er. Salis mischte sich in das Gespräch ein: „Die Gärtner und wir Pilzzüchter stellen den Großteil unserer Ernährung, auch Hamits Brauerei und Akhdirs Metbaude haben großen Anteil an der Fülle der Lebens- und Genussmittel. Die Versorger, zu denen Kulo gehört, kümmern sich in erster Linie um die Ausstattung der anderen Berufe. Sie sorgen sich um Werkzeuge, Kleidung und alles, was nicht mit Essbarem zu tun hat.“ Viele interessante Gespräche ergaben sich am Tisch und man kam sich näher, auch Hamit schien redseliger zu werden, denn er begann irgendwann mit Foret zu diskutieren, welches Gebräu mehr Feingefühl nötig hätte, Met oder Bier.

„Beides verlangt Präzision im Herstellungsprozess und nie habe ich etwas besseres getrunken als ein Metbier!“, warf ich ein und fügte an: „Ein guter Schluck halbsüßen Mets in einem Humpen voll süffigen Dunkelbieres ist doch das Beste, was es unter den Bergen gibt!“ Ich ließ es mir nicht nehmen, die Bedienung um einen frischen Krug des köstlichen

Bieres zu bitten, das ich mir mit einem Schuss Met aus dem Fass aufpeppte. Der mürrische Braumeister folgte meinem Beispiel, dann führte er seinen Krug an den Mund und lächelte, als er sein Trinkgefäß wieder absetzte. „Ihr seid findig, Daril. Das ist wahrlich köstlich!“, lobte er mich. Wir prosteten einander zu und legten jede Feindseligkeit beiseite.

 

„Was hat es denn nun mit den Goblins auf sich, die wir mit unserem Auftauchen gestört hatten?“, wollte Foret endlich wissen. Pilzhüter Salis bemühte sich, die Frage zu beantworten: „Als wir diesen Berg begannen zu besiedeln, lebten bereits viele Menschen in der Gegend, die Bergbau betrieben. Wir hatten Probleme, sie fern zu halten, aber die Goblins, die bereits in den Höhlen hausten waren forscher und vertrieben sie, wenn die Menschen zu nahe kamen. Dadurch wurden wir in gewisser Weise abhängig von den Goblins und überlegten, was wir tun konnten, um beiden Völkern einen Vorteil zu ermöglichen. Außerdem wollten wir vermeiden, dass die Goblins irgendwann auf die Idee kommen könnten, uns angreifen zu wollen. Seit jenen Tagen bringen wir alle sieben Tage unsere Essensreste hinunter in die alte Küche und lassen die Goblins damit machen, was ihnen beliebt. Meist wird es eine Essensschlacht, bei der gelegentlich auch jüngere Zwerge teilnehmen. Daher gibt es einige einfache Regeln. Es dürfen weder Waffen noch schwere Rüstung getragen werden, außer vom Wachpersonal. Schwer Verletzte werden vom Schlachtfeld geholt und verarztet. Bei Regelverstößen wird die Schlacht unterbrochen und das Wachpersonal hinzugezogen. Ulgra übernimmt für gewöhnlich diese Aufgabe, da sie von den Erzformern abstammt und sich gegen die Goblinhorde durchsetzen kann.“ Foret und ich nickten. „Das macht Sinn.“, bestätigte ich.

Zum Abschluss des Mahles wurden karamellisierte Beeren gebracht, die einen angenehmen Kontrast zu den vorherigen Gängen bildeten. Je später der Abend wurde, umso leerer wurde der Saal und bald überkam auch mich die Müdigkeit. Foret ging es wohl ähnlich, denn als ich mich erhob und mich von den Ältesten verabschiedete, tat er es mir gleich. Wir wandten uns zum Gehen und winkten den verbliebenen Zwergen. Unsere Unterkunft zu finden fiel nicht schwer. Oben angekommen ließ ich mich in das weiche Bett fallen und schlief schnell ein.

 

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