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28. Willkommen zurück!

Bild von Makalu auf Pixabay
Das Prebischtor (Pravčická brána) im Elbsandsteingebirge nahe Herrnskretschen (Hřensko)

 „Sandsteinbruch“ stand auf der Konsole zu lesen. Demnach könnten wir an der richtigen Stelle ausgestiegen sein. Alles hier war von einer Schicht rot-gelben Staubes bedeckt, trüb glomm grünliches Licht aus dem porösen Gestein hervor. Die Türöffnung befand sich direkt links von der Steuerkonsole. Der Hebel zur Aktivierung des Mechanismus war zerbrochen, wir mussten also improvisieren. Mit einem Stück dünnen Seiles banden wir den Schaufelstiel am Stumpf des Hebels fest und reinigten dann die Führungsschiene. Als wir dann an dem notdürftig geflickten Hebel zogen, schob sich die Türplatte nach links in den Fels hinein und gab den Weg frei. Foret stellte sich in den Durchgang, während ich Seil und Schaufel wieder entfernte. Ich war gerade fertig, als die sich die Tür wieder schließen wollte. Wir konnten beide noch rechtzeitig hindurch schlüpfen, bevor die Tür sich wieder rumpelnd verschloss.

 

Ein kurzer Höhlengang aus Sandstein führte nach draußen. Die Sonne lugte zögerlich zwischen den grauen Wolken hervor, die nur an wenigen Stellen aufgerissen waren. Das Gras und die Blätter der Bäume glänzten regenfeucht. Ich spürte einen leichten Widerstand, als wir aus der Höhle ins Freie traten. „Das war seltsam.“, meinte Foret, der sich dabei erschrocken hatte. „Als würde man einen Wasserspiegel durchstoßen.“ Ich bestätigte ihm, dass ich das selbe wahrgenommen hatte. Ich drehte mich um, aber der Zugang war ohne Hilfsmittel nicht mehr zu erkennen. Unweit unseres Standortes hörte ich Wasser plätschern und Tiere, die sich durch den Wald bewegten. Wir schlugen die Richtung ein, aus der ich die Geräusche vernommen hatte und wir gingen so leise wir konnten voran. Zwei Rehe nahmen vor uns Reißaus, als sie uns bemerkten. Sie hatten aus einem Bach trinken wollen und wir hatten sie dabei gestört. Etwas kam daran mir bekannt vor und ich dachte, es wäre eine gute Idee, dem Bach zur Quelle hin zu folgen.

 

Wie ich es geahnt hatte, erreichten wir bald die kleine Felsformation, aus der der Pručelský-Bach entsprang. Ich wagte einen Blick durch den Riss in den engen Felsspalt hinein, wo ich den magischen Zirkon gefunden hatte. Unterhalb von uns befanden sich die Felder der Uberts. Ich war wieder zu Hause! „Foret, wir sind richtig!“, berichtete ich ihm voller Freude. „In dieser kleinen Höhle hatten die Steinformer mein Ei versteckt, bis Josef Ubert es dort unten aufgelesen hatte. Ich denke, wir müssen dem Bach in die andere Richtung folgen, um zum Steinbruch zu gelangen. Möglich, dass wir dort noch Hinweise aufspüren können.“, plapperte ich aufgeregt los. Foret war gutmütig und verständnisvoll mir gegenüber und nickte nur grinsend. Wieder machten wir uns auf den Weg.

 

Wir gingen nun mit der Fließrichtung des Baches an dessen Ufer durch den dichten Wald. Moose und Farne wuchsen zwischen den Bäumen und erschwerten unser Vorankommen, der felsige Untergrund tat sein Übriges. An einer Felskante geriet ich ins Straucheln, aber Foret packte unerwartet fest nach meinem Ranzen und bewahrte mich so vor dem Absturz. Er zog mich zurück und ich versuchte meinen Schrecken abzuschütteln, stellte mich sicher hin und betrachtete die Umgebung näher. Wir standen an der Oberkante eines kleinen Wasserfalls, nicht mehr als zehn Fuß weit rauschte der Bach hinunter. Foret und ich suchten einen sicheren Abstieg rechts des Wasserlaufes. Wir mussten einen weiten Bogen gehen, der uns an größeren Felsen entlangführte. An einem davon blinkte mir ein helles Funkeln entgegen. Ich zog meinen Zirkon aus dem Lederbeutel, der an meinem Gürtel hing. Auch dieser strahlte mich an. Dort musste es etwas Interessantes für uns geben, dachte ich mir und schaute meinem Begleiter nach, der nicht stehengeblieben war. „Foret, warte bitte. Schau mal!“, rief ich ihn zurück. Er hielt inne und drehte sich halb zu mir um. „Was gibt es, Daril?“, wollte er wissen. Eine Antwort von mir musste er nicht abwarten, denn auch er nahm das typische Glitzern des Kristalls wahr. Mein Freund kam zu mir zurück und besahen uns den Felsblock näher, in dem der Edelstein eingelassen war. Mein Zirkon verband sich mit dem im Gestein, als ich ihn in dessen Nähe bewegte. Ich versuchte, möglichst viel Licht mit meinem Kristall einzufangen und auf sein Gegenstück zu lenken, damit die Magie wirken konnte. Leider bedeckten Wolken den Himmel. Foret räusperte sich und schlug vor: „Du hast doch diesen Feuermacher von den Menschen. Versuch es doch damit.“ Ich nickte anerkennend und holte das Feuerzeug aus meinem Beutel und ließ es aufschnappen. Nach drei Versuchen entzündete sich der mit Benzin getränkte Docht endlich. „Nimm du das Feuerzeug, während ich den Kristall justiere.“, bat ich Foret und hielt ihm die Flamme im metallenen Gehäuse entgegen. Er sträubte sich ein wenig, das sah ich ihm an, aber er nahm sie und hielt die Lichtquelle vorsichtig aber mit festem Griff. Erneut hielt ich den Zirkon in die Luft und positionierte ihn zwischen der Flamme des Feuerzeugs und dem Kristall auf dem Felsen. Foret hielt vorbildlich still und ich konnte mich auf die Magie konzentrieren. Ich benötigte einige Augenblicke, ehe es mir gelang, einen schmalen starken Lichtstrahl zu erzeugen, den ich langsam auf den Empfänger lenkte.

 

Eine Fontäne aus Licht ergoss sich, als ich mein Ziel erreicht hatte. In allen Farben des Regenbogens sprühten uns Myriaden bunter Lichtstrahlen entgegen, wie ein nicht enden wollender Schwall Lebensfreude. Mit Rumpeln und Kratzen schob sich der Block von uns fort und legte einen Stufengang frei, der von Leuchtkristallen jeder erdenklichen Farbe erhellt wurde. Der Farbschwall verebbte, mit offenem Mund ließ Foret das Feuerzeug zuschnappen, erstaunt steckte ich den Zirkon zurück in meinen Lederbeutel am Gürtel. Mein Begleiter gab mir das Feuerzeug zurück, dass ich auch noch verstaute, ehe wir gemeinsam die Treppe betraten und hinunter gingen. Der Eingang verschloss sich nach einigen Schritten von allein, die farbenfrohe Beleuchtung aber, blieb uns erhalten. Die Stufen beschrieben nach einem kurzen geraden Abschnitt eine rechtsdrehende Spirale, die uns weiter in die Tiefe hinab geleitete. Es dauerte seine Zeit, bis wir am Ende der Wendeltreppe angelangt waren. Der Weg setzte sich in einem typisch wirkenden Minenstollen fort, die bunt strahlenden Kristalle wiesen und weiterhin den Weg.

Irgendwann endete der Stollen an einer Tür aus rötlichem Sandstein, in die golden glänzende Runen geritzt waren.

 

gairu uslukhul

(Höhle des Drachen)

 

Ich riss erschrocken die Augen auf. „Wir sollten vorsichtig sein, Foret.“, flüsterte ich meinem Gefährten zu und zeigte auf die schimmernden Schriftzeichen. Er legte daraufhin sein Gepäck ab und deponierte es auf der linken Seite des Ganges. Ich tat es ihm gleich und stellte meinen Ranzen und alles Andere rechts vor der Tür ab. Die Waffen hatten wir griffbereit in den Händen, als als wir gemeinsam den Verschlussstein berühren. Die Runen darauf glühten kurz auf. Leise, aber mit starker Staubentwicklung verschwand die Steinplatte im Boden des Stollens. Mir fiel es schwer, meinen Hustenanfall zu unterdrücken, hielt mir mit einer Hand Mund und Nase zu und bemühte mich die Atmung zu kontrollieren. Ein Keuchen entwich mir. Langsam legte sich die Wolke aus rot-gelbem Steinstaub. Zögernd versuchte ich einen Atemzug, meine Lunge rasselte dabei. Foret und ich nahmen die Trinkbehälter vom Gürtel und genehmigten uns einen großen Schluck, um den Staub aus der Kehle zu spülen.

 

Einige Schritt weit vor uns verbreiterte sich der Minengang zu einer Höhle. Die bunten Kristalle spendeten auch hier ein wenig Licht. Das Gestein schien wie ausgewaschen, wie überall im Elbsandsteingebirge, denn das Material war recht feinporig und fließendes Wasser konnte es über lange Zeit beständig bearbeiten. Das Innere war aber trocken. Sicher war schon seit langem kein Wasser mehr hier hineingelangt. Die Elbe lag mit ihrem heutigen Flussbett auch in einiger Entfernung. Wir wagten uns langsam vor und schauten vorsichtig in alle Richtungen. Foret hielt seine Armbrust im Anschlag, auf der bereits ein Bolzen lag. Meine Streitaxt hielt ich in meiner rechten Hand, bereit mich zu verteidigen.

Wir erreichte einen natürlich entstandenen Raum, dessen Boden von Stroh und Heu bedeckt war. Es roch streng nach Fäkalien zu hören war nichts.

 

Wir verließen den Abort durch einen kurzen Tunnel, der links von uns abging und in eine geräumigere Wohnkammer mündete. Einige glitzernde Steine und Waren aus Edelmetallen lagen über dem unebenen Boden verstreut, die wohl von dem riesigen Haufen Schätze in der Mitte der Höhle gerollt sein müssen. Unter dem blinkenden, schimmernden Berg konnte man noch die Fransen eines dicken Teppichs erkennen. Wir umrundeten vorsichtig die imposante Sammlung von Kleinodien, konnten aber immer noch keinen Bewohner ausmachen. Auf der anderen Seite des Goldhaufens stand ein Trog, in dem ein halb gefressenes Schaf lag. Foret näherte sich dem Futtergefäß, zog kurz die Schultern hoch und winkte mir, ihm zu folgen. Die ganze Zeit in den Höhlen vermieden wir es zu reden und verständigten uns durch Mimik und Gestik, um unbemerkt zu bleiben. Die mögliche Anwesenheit eines Drachen erfüllte uns schon mit Respekt und einer Spur Angst.

 

Ich kam der unausgesprochenen Aufforderung meines Freundes nach, erreichte den Fressplatz und konnte an dem Kadaver noch keine größere Verwesung feststellen. Das Fleisch war noch recht frisch. Demnach musste hier ein großes Raubtier leben. Der Gedanke an den Drache nahm in meinen Gedanken immer realistischere Züge an. Noch nie hatte ich einen „Verwüster“, die ursprüngliche Bedeutung des Wortes „uslukh“ in der Zwergensprache, mit den eigenen Augen gesehen.

Ein breiter Tunnel schloss sich der Wohnhöhle an, von dem uns ein frischer Luftzug entgegenwehte. Wir schlichen weiter, so es Zwergenfüße eben konnten. Tageslicht war am anderen Ende der nun recht flachen Sandsteinhöhle zu erkennen, die Anzahl der bunten Leuchtkristalle verringerte sich, je weiter wir uns von der Wohnstatt des Drachen entfernten. Der Zugang zu den Höhlen war durch einen Felsüberhang geschützt. Ich nahm die flirrende Magie eines Schutzzaubers wahr, für mich sogar körperlich spürbar. Es glich dem Portal, das die Enklave der Elfen schützte, nur kam mir die Energie noch intensiver vor. Ich gebot Foret aufzupassen, aber auch er schien es irgendwie zu spüren und nickte mir nur pflichtbewusst zu. Noch gingen wir unter dem Sandstein der breiten Öffnung entgegen. Nach wenigen Schritten durchquerten wir die Barriere, die die Drachenbehausung von der Oberwelt abschirmte. Es fühlte sich an, als würde ich eine Wasseroberfläche durchstoßen, nur die Spannung des magischen Feldes war erheblich stärker. Ob wir die Höhlen von dieser Seite je wieder betreten würden, konnte ich da noch nicht wissen.

 

Ein weites Tal erstreckte sich vor uns, als wir ins Freie traten. Wir befanden und nahe am Grunde des schmalen Bergeinschnittes und blickten nach oben in den Nachmittagshimmel. Die Wolken waren nun weniger dicht, die Sonne schien unbehindert auf uns herab. Ein kleiner See bildete den Boden des überwachsenen, aber deutlich erkennbaren, Steinbruchs, sanfte Wellen brandeten dem steinigen Ufer entgegen. Es schien, als hätten wir nun den Sandsteinbruch gefunden, der in der Bahnstation genannt worden war. Langsam verschwand die Sonne am Westrand des künstlich erschaffenen Talkessels und Schatten breitete sich über uns aus. Hinter uns raschelte es in den Sträuchern, die am Felshang wuchsen. Ich drehte mich langsam um, sah aber nur Himbeeren, Hagebutten und Brombeeren die entlang des Randes wuchsen. Foret und ich standen nun Rücken an Rücken, die Waffen bereit und drehten beobachteten die nähere Umgebung. Wir konnten beide nichts entdecken. Rechts von mir, wo einige Bäume standen, knackte es im Unterholz. Wieder war nichts zu sehen.

 

„Lass uns hinsetzen, Foret. Ich habe da so eine Ahnung.“, raunte ich meinem Freund zu. Ohne unser Umfeld außer Acht zu lassen, begaben wir uns in den Schneidersitz, unsere Rücken weiterhin dicht beieinander. Ich fasste meine Streitaxt mit beiden Händen am Griff, stützte beide Ellenbogen auf den Oberschenkeln ab und hielt die Waffe mit dem Blatt nach oben. Meine Augen fixierten die flache Seite mit den Intarsien. Ich verlangsamte meine Atmung und konzentrierte mich mehr und mehr auf die Geräusche in meiner Umgebung. Forets Atmen hörte sich aus der Nähe wie das Schnaufen einer Dampfmaschine an, doch blendete ich dies bald aus und lauschte weiter hinaus. Wieder ein Rascheln, diesmal links von mir. Einige hochgewachsene Farne standen dort. Hinter mir und genau vor meinem Gefährten platschte das Wasser des Sees rhythmisch an den steinigen Strand.

Plötzlich rauschte es kurz wie Wind und ein Schwall Wasser erwischte mich kalt von hinten. Foret hatte es natürlich frontal abbekommen, beide waren wir komplett durchnässt. Schnaubend und lachend hallte es durch den alten Steinbruch. „Da habe ich die Zwerge aber ganz schön nass gemacht!“, bemerkte belustigt eine dunkle, weibliche Stimme neben uns im Vorbeigehen. Die Sprecherin blieb unsichtbar. „Ich erwarte euch in meinem Hort, Zwerge.“, sagte die Stimme noch, während sie sich von uns in Richtung des Felsüberhangs entfernte. Ich war zu geschockt vom Geschehen, um zu reagieren. Langsam keimte in mir die Frage auf, wie es sein konnte, dass sie in Khuzdul mit uns sprechen konnte.

 

„Du hast sie gehört, Daril. Sie muss der Drache sein, der hier wohnt. Wir sollten mit ihr reden und aus den nassen Klamotten herauskommen.“, weckte Foret mich aus meiner Geistesabwesenheit. Ich rappelte mich auf und griff nach meiner Axt, die mir vor Schreck aus den Händen gefallen war. Gemeinsam gingen wir wie zwei begossene Pudel zurück zu den Höhlen. Die magische Barriere war immer noch da, sie sah für ungeübte Blicke wie der Sandstein aus, der uns umgab und verbarg so den Zugang zum Drachenhort. Mir fiel es diesmal leichter als beim ersten Mal, sie zu durchschreiten. Dann erreichten wir den breiten Gang und folgten ihm zur Haupthöhle.

 

Ein Geschöpf aus dunkler blaugrün geschuppter Echsenhaut lag nun auf dem Schatzhaufen und schmatzte genüsslich. Das halbe Schaf war aus dem Steintrog verschwunden. Die Drachendame machte es sich daraufhin bequem, legte den langen Schwanz um sich herum und streckte die vier klauenbewehrten Beine von sich, dann neigte sie ihren schlanken, einer Eidechse ähnlichen, Kopf in unsere Richtung. Die ledrigen Flügel lagen eng an ihren Leib geschmiegt, sodass sie nicht störten. „Da seid ihr ja. Ich hoffe, ihr seid mir nicht allzu böse.“, begann sie mit schmeichelnder Stimme. Foret war immer noch gefasster als ich und sprach sie zuerst an: „Werte Dame, es ist uns wahrlich eine Ehre, mit Euch reden zu dürfen. Man nennt mich Foret. Wir möchten uns nur gern zuvor der nassen Kleider entledigen. Wir kehren in Kürze zurück.“ So gewählt hatte ich ihn bisher nie reden hören, fand das gesagte aber sehr überzeugend. Der Drache lachte kurz und meinte: „Nur zu, ich werde auf euch warten.“
Wir verließen den Raum durch den Tunnel zum Abort hin, um unsere Sachen aus dem Minenstollen zu holen. Bevor wir es aufnahmen, befreiten wir unser Gepäck von dem Staub, der sich mittlerweile komplett gelegt hatte und gingen dann zurück zur Heimstatt des Drachen. Im hinteren Bereich der Wohnkammer legten wir unsere Habe ab, zogen die nassen Sachen aus und breiteten sie zum Trocknen aus, dann legten wir frische, trockene Kleidung an.

 

Als wir wieder vor der imposanten Gestalt standen, richtete ich das Wort an sie: „Meinen Gruß, werte Dame. Ich bin Daril, Sohn des Redin. Entschuldigt, dass wir einfach in Eure Behausung eindrangen. Wir waren nur auf dem Weg zum alten Steinbruch, den unsere Ahnen angelegt hatten.“ Wieder lachte sie belustigt. „Seid willkommen Zwerge! Es ist lange her, dass jemand von euch hier war. Ich bin ehrlich froh, euch zu sehen.“

 

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