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10. Unverhofftes Treffen

Bild von Steve Buissinne auf https://pixabay.com
Ein stilvolles Eichenfass

 

Als ich die Bibliothek wieder erreicht hatte, konnte ich Hyrasha nicht finden, nur eine Nachricht auf einem Stück derbem Papier, das auf einem Lesepult neben der Inventarkartei lag.

„Permoník, du bist bereits sehr lange weg. Ich werde zurückkehren, um mein Vorhaben abzuschließen. Du musst nicht auf mich warten. Hyrasha“

‚Sie war gegangen, obwohl ich sie genau hier wiederfinden sollte? Wie sehr kann man sich auf dieses, der Zeit entrückte, Wesen verlassen?‘, fragte ich mich selbst in Gedanken.

Ich wusste aber auch nicht, wie lange ich fort gewesen war.

Es gab in der Stadt noch einiges mehr zu entdecken. Der „Pfad des Mets“ hörte sich für mich vielversprechend an. Bevor ich zurück zur Bahnstation ging, wollte ich Hyrasha eine Notiz hinterlassen, also kramte ich in meinem Gürtel nach einem Schreibstift, fand aber keinen. Dann durchsuchte ich die Bibliothek, ob sich nicht eine leere Tafel und ein Griffel finden ließen, um so eine Nachricht zu verfassen. Im Obergeschoss wurde ich nach einer längeren Weile fündig. Auf einem Pult lagen neben einem Buch zwei leere und eine halb beschriebene Tafel sowie ein Werkzeug. Der Text des Buches behandelte die Kultivierung von essbaren Pilzen.

Ich nahm mir eine leere Tafel und begann in einfacher lateinischer Schrift Buchstaben einzuritzen.

„Ich bin noch in der Stadt und werde nach jeder Exkursion hierher zurückkehren. Daril“

Dann brachte ich die Tafel in den Vorraum und legte sie halb auf Hyrashas Papier. So würde die Frau meine Nachricht auch finden. Anschließend begab ich mich zurück zur Bahnstation und machte mich auf dem Weg zum „Pfad des Mets“.

An der entsprechenden Haltestelle angekommen, stieg ich aus der Lore und ließ meinen Blick schweifen. Eine Treppe führte aufwärts, an der Wand entdeckte ich Runen und einen nach oben zeigenden Pfeil; „Gereg“ ergaben die Schriftzeichen, was „Met“ bedeutet.

 

Die Stufen wollten kein Ende nehmen, es ging höher und höher. Das Gestein veränderte sich, bald war heller Sandstein vorherrschend in dem rötliche Kristalle eine Spur von Licht verbreiteten. Die Treppe endete in einem langen Gang, der hellrot schimmerte, an dessen Ende sich aber Sonnenstrahlen mit dem magischen Licht vermischten. Die natürliche Helligkeit war unverwechselbar. Der Stollen weitete sich zu einer natürlichen Sandsteinhöhle, die eine sehr breite Öffnung aufwies, die von der Sonne angestrahlt wurde. Es roch nach Nadelbäumen, Wasser und Blumen. Mir kam es vor, als hätte ich die Oberwelt eine sehr lange Zeit nicht gesehen. Die Sinneseindrücke waren so intensiv, dass ich die Augen schloss, tief einatmete und Eins nach dem Anderen auf mich einwirken ließ. Die Düfte, das Singen von Vögeln, das Rascheln des Grases und die Wärme der Sonne.

Nachdem ich die Augen wieder geöffnet hatte, entdeckte ich ein Haus inmitten der Höhle. Auf dem flachen Steindach wuchs ein Baum, in dem ein großer Bienenkorb hing.

Ich erinnerte mich, dass es winterlich kalt war, als Hyrasha und ich Takal Dûm erreichten. Nun musste es spätes Frühjahr sein. Einmal mehr fragte ich mich, wie lange ich wohl in der Schieferstadt gewesen war. Jedenfalls erheblich länger, als es sich für mich anfühlte.

Als ich das Haus aus Sandstein betrat, fielen mir zuerst die großen Holzfässer an der rechten und der linken Wand des weitläufigen Raumes auf. Die Wand gegenüber des Eingangs erschien mir wie eine Küche. Dort gab es einen Ofen, auf dem ein riesiger Kupferkessel stand, eine Arbeitsfläche aus dunklem polierten Stein, einen Wassertrog sowie verschiedene Apparaturen. Zwei Schlafstätten fanden sich zu beiden Seiten der Tür.

Es roch intensiv süß nach Honig und Alkohol.

Die Zwerge, die hier gearbeitet hatten, waren echte Meister der Braukunst. Für jeden Geschmack hatten sie das richtige Rezept parat. Sie verfeinerten den Honigwein mit Früchten, Gewürzen und Kräutern, damit auch jeder auf seine Kosten kam. Ich selbst bevorzugte Met, der mit milden Kräutern, wie Minze und Waldmeister, aromatisiert wurde. Dieser Met mit einem dunklen Bier gemischt war für mich das großartigste Getränk in der Welt. An den zwergischen Braumeistern nahmen sich die Menschen ein Beispiel, aber deren Fertigkeiten erreichten sie nie, auch wenn es in Böhmen sehr gutes Bier gibt.

Neugierig untersuchte ich die großen Fässer, klopfte mit der Faust auf das Holz, um zu hören ob sich noch etwas in ihnen befand. Zwei der Behälter schienen noch reichlich gefüllt zu sein. Aus der Küchenzeile besorgte ich mir einen Krug, ein Tuch als Filter und einen Becher. Die Schränke unter der Arbeitsfläche schlossen recht dicht, wodurch ihr Inhalt kaum angestaubt war. Das Tuch und die Gefäße wusch ich unter dem fließenden Wasser dennoch gründlich aus. Ich öffnete den Zapfhahn an einem der Fässer und ließ die Flüssigkeit durch das Tuch in den Krug laufen. Der Honigduft im Raum wurde noch stärker, als er ohnehin bereits war. Das Filtertuch hielt Schwebstoffe wie Hefe und andere feste Stoffe zurück, die sich mit der Zeit im Fass abgelagert hatten. In den Krug tropfte nur der goldene Honigwein. Ein leichter Duft von Nadelbaum mischte sich mit der schweren Süße des Honigs, anscheinend hatten die Brauer hier Wacholder beigemischt. Ich drehte den Hahn wieder zu, schenkte etwas von dem Met in den steinernen Becher und probierte vorsichtig. Ebenso wie die erste Kostprobe im Vorratsraum des Rasthauses erschien mir der Geschmack etwas kräftiger aufgrund der sehr langen Lagerzeit, doch das Aroma empfand ich als äußerst lecker. Die Verbindung von Honig und Wacholder war nicht nur sehr schmackhaft, sondern sorgte auch für eine gewisse natürliche Konservierung. Ich war schlichtweg begeistert und nahm einen noch größeren Schluck aus dem Becher. Glückselig setze ich mich auf eine der beiden Schlafstätten und hing meinen Gedanken und Erinnerungen nach. Irgendwann musste ich eingeschlafen sein, denn ich schreckte hoch als ich kräftig geschüttelt wurde.

Plums! Ich landete unsanft auf meinem Hinter und mein Kopf schlug leicht an die steinerne Pritsche. „Ungebetener Besuch hat mir gerade noch gefehlt! Meinen Met hat er auch getrunken!“, polterte eine tiefe männliche Stimme auf Khuzdul in meine Richtung. Ein Seufzer entwich mir, als ich versuchte, mich wieder aufzurichten. Eine kleine dickliche Gestalt kramte hastig in den Schränken und räumte Dinge hin und her. „Ich hätte abschließen sollen. Konnte ja nicht ahnen, dass nach so langer Zeit hier einfach jemand aufkreuzt und Unordnung macht.“, blubberte es in der Zwergensprache aus dem zotteligen Mann heraus, der sich nicht zu beruhigen schien.

„Shamukh, akhrâm ê Daril, Redinul.“ (Grüße, mein Name ist Daril, Sohn des Redin.), sprach ich den offensichtlichen Zwerg an, der sich blitzartig zu mir umdrehte und mich mit aufgerissenen Augen ansah. Das schien für ihn der Schock seines Lebens zu sein. Er stotterte: „D...Daril? D...der Bewahrer? Du bist zurück? Dem Schmiedevater sei gedankt!“ Er schrie fast vor Glück, der arme Kerl, und warf sich vor mir nieder, brach weinend zusammen. „Ich bin Foret, Sohn des Tumnil, letzter der Zwerge von Takal Dûm. Ich hatte mich hier oben eingerichtet, um mich besser versorgen zu können.“ Etwas zerlumpt sah seine Kleidung aus, was aber als Einsiedler nicht verwerflich war. Für mich überraschender war, dass er meinen Namen kannte. Er schien meine Verwirrung zu erkennen, wies mir, mich wieder zu setzen und begann zu erzählen.

 

„Vor fünf Generationen standen menschliche Reiter vor dem großen Tor und versuchten einzudringen. Die Wachen konnten sie nicht aufhalten, die steinernen Befestigungen schon. Die Menschen drangen in die Eingangshalle vor, konnten das innere Tor aber nicht öffnen, weil sie keine Ahnung von der Technologie hatten. Sie zertrümmerten einfach Alles, dessen sie habhaft werden konnten und zogen wieder ab. Dennoch waren die Zwerge gewarnt. Bald konnten wieder Menschen vor dem Tor stehen und herausfinden, wie man in die unteren Ebenen gelangte. Deshalb wurde das gesamte Zwergenvolk mobilisiert, die Stadt zu verlassen. Das geschah unterirdisch durch Tunnel, die weit nach Westen reichten.

Mein Urahn Akatil gehörte zu der Gruppe, die in die Schieferstadt ging, um dich zum Bewahrer zu machen. Er und seine Familie waren die letzten Bewohner von Takal Dûm, welche die Fluchttunnel verschlossen und die Geschichte an ihre Kinder weitergaben, bis du zurückkehren würdest. Bis eben war ich noch der letzte Zwerg in der Wiege unserer Kultur und nun bist du wieder da, unsere Geschichte fortzuschreiben.“

 

„Danke für den Bericht, werter Foret. Du hast recht, ich bin der Daril aus deiner Geschichte. Vor einigen Jahren wurde ich weit weg von hier aus meiner ‚Behausung‘ befreit. Seitdem befand ich mich auf der Suche nach meiner Vergangenheit und auf dem Weg hierher. Nun wollte ich mir Takal Dûm näher ansehen und du findest mich auf meiner Erkundungstour. Der Met war übrigens hervorragend! Lass uns gemeinsam etwas essen und dabei überlegen, was wir dann tun werden.“, erklärte ich mich.

Ich holte also Fett und Pilze aus meinem Vorrat, Foret entzündete im Herd das Feuer. Das restliche Brot war mittlerweile sehr trocken geworden, zum Tunken würde es aber genügen. Etwas harten Käse hatte ich auch noch übrig. So bereitete ich uns eine Mahlzeit und der andere Zwerg füllte uns die Becher mit Wacholdermet.

Die Zeit verging, es wurde draußen dunkel und die Kristalle im Sandstein spendeten uns nun schummriges Licht. Ich erzählte Foret, was ich seit meinem Erwachen erlebt hatte. Mit vielem „Ah!“ und „Oh!“ lauschte er meiner Geschichte. Wir tranken und lachten bis uns die Augen zufielen und wir uns zum Ruhen auf die Schlafstätten legten.

 

Als ich aufwachte, war es wieder taghell und Foret hatte das Haus verlassen.

Ich räumte den Tisch ab und versorgte den Abwasch, weil mir nichts Besseres einfiel, während ich auf den anderen Zwerg wartete.Die Zeit wurde mir dann doch etwas zu lang und ich verließ das Gebäude, um mich draußen etwas umzusehen.

Die breite Öffnung im Sandstein schien natürlich entstanden zu sein. Auswaschungen und Korrosion dieser Art kann man auch im Elbsandsteingebirge finden, wo ja die Uberts lebten. Der schützende Überhang war spärlich mit Moosen bewachsen. Vor mir eröffnete sich mir ein dichter Wald, aus dem hier und da Bergspitzen herauslugten. Eine wunderschöne Hügellandschaft, durchzogen von Wasserläufen und bewohnt von vielen Tieren. Ich konnte mich an dem beruhigenden Anblick kaum sattsehen, aber hinter mir vernahm ich Schritte auf mich zutapsen. Der Zwerg war nicht gerade leise. ‚Aber welcher Zwerg konnte wirklich leise sein?‘, grinste ich in mich hinein.

„Guten Morgen Daril!“, grüßte Foret mich. Ich nickte und wünschte auch ihm einen guten Morgen. „Ich habe uns etwas für das Frühstück besorgt. Nach dem Essen möchte ich dir das große Tor zeigen.“, setzte er fort. Ruhigen Schrittes gingen wir gemeinsam zurück zur Metbaude, wie er das Haus der Metbrauer nannte. Nach dem angesprochenen Essen und anschließendem Aufräumen machten wir uns auf den Weg.

Hinter der Metbaude stand ein riesiger Obelisk aus Sandstein, ähnlich der dunklen Säule mit dem grünen Licht in der Schieferstadt, auf dem ebenfalls an allen vier Seiten Runen eingemeißelt waren.

 

„Licht gehört zum Dunkel wie das Leben zum Tod.“

„Durchbreche den Kreislauf nicht“

„Das Leben ist ein ständiges Geben und Nehmen.“

„Der Tod lehrt uns Bescheidenheit.“

 

 „Das scheint die Anleitung für ein Ritual zu sein, Foret.“, bemerkte ich, worauf er antwortete: „Der Lauf der Natur, um zu lernen, wie die Welt funktioniert. Ich hatte es einmal versucht, scheiterte aber. Tod hört sich für mich so endgültig an.“ Ich dachte darüber nach und wusste auch noch nicht, was ich davon halten sollte, aber ich wollte es irgendwann versuchen. Wir setzten unseren Weg über eine lange Brücke fort, der sich eine Treppe anschloss, die aufwärts in den Berg hinein führte. Endlich endeten die Stufen und der Stollen ging eben weiter, bis wir eine Bahnstation erreichten. Die Konsole dort zeigte „Großes Tor“, aber keine andere Richtung, also drückte ich darauf und eine Lore kam auf den Schienen angerollt. Wir stiegen nacheinander ein. Ich nahm im vorderen Sitz platz, Foret hinter mir und dann startete ich die Fahrt. Ohne Zwischenhalt erreichten wir die Station nahe des Tores, wo sich neue Gleise in andere Richtungen anschlossen. Wir stiegen aus und ich sah mich einmal mehr erstaunt um.

An der langgezogenen Wand aus hellem Kalkstein war eine Karte gezeichnet worden, die das Bahnnetzwerk darstellte. Demnach gab es innerhalb des Stadtgebietes drei Rundstrecken, die Sich jeweils in einem Punkt trafen. Einer dieser Umstiegspunkte war hier, der zweite nahe der Bibliothek und den dritten kannte ich bereits, denn dort kamen Hyrasha und ich an, als wir vom Rasthaus hinunter gefahren waren. Jene Bahnstrecke, die die Bibliothek mit der Schieferstadt verband, war die am tiefsten gelegene und auch die älteste der drei. Die beiden neueren Gleise verbanden die später gebauten Stadtteile mit der Altstadt. Ich war beeindruckt vom Umfang der Anlage und stieß einen Pfiff aus.

„Unsere Leute waren damals sehr fleißig, nicht wahr?“, fragte mich Foret. Ich antwortete mich einem langsamen Nicken. „Wir müssen noch ein paar Stufen hinauf, bis wir dort sind, aber weit ist es nicht mehr.“, ergänzte der alte Zwerg.

Dann ging es eine lange gerade Treppe nach oben, bis diese in einen kurzen Stollen mündete, der mit einer flachen Wand abschloss. Der Stollen war etwa so breit, dass zwei Zwerge nebeneinander mit ausgestreckten Armen das Gestein berühren konnten. Foret bat mich, sich neben ihn zu stellen, dass unsere Hände sich trafen und ich mit meiner linken, er mit seiner rechten Hand die Wand vor dem Ende des Stollens erreichen konnten. Es dauerte einen Moment bis unter unseren Handflächen bläulich Runen schimmerten und sich die Wand vor uns spiralförmig öffnete und den Weg in eine Halle freigab. Sie war etwa zehn Meter lang und der Torbogen am anderen Ende war offen und frei zugänglich. An den Wänden lagen Rüstungen und Schmuckgegenstände auf dem polierten Steinboden verstreut. Alles war staubig und schmutzig, verwittert und unbrauchbar. Alles hier war zerstört worden, dennoch strahlte die Eingangshalle, das „große Tor“, immer noch eine immense Erhabenheit aus, dass ich mich klein und unbedeutend fühlte.

Wir gingen nach draußen. Dort führte eine breite Treppe mit flachen Stufen hinunter in ein annähernd rundes Amphitheater, das mittlerweile stark überwuchert war. Moose und Bäume nahmen nun die Fläche ein, wo sich früher die Zwerge mit den anderen Völkern zum Handel und Erfahrungsaustausch trafen. Wir gingen ein Stück nach unten, dann drehte ich mich um, damit ich das Tor betrachten konnte. Vier Säulenpaare bildeten den Eingang von innen nach außen größer werdend, wirkte das Tor sehr einladend, doch auch am Gestein hatte der Zahn der Zeit genagt. Einige Steinstücke hatten sich gelöst und Wurzeln durchdrangen das Gefüge. Die Natur beanspruchte ihren Platz.

Erinnerungen quollen hervor, wie es einmal hier gewesen war.

 

Zwerge kamen nur selten auf den Platz vor dem großen Tor, es sei denn, Besuch von außerhalb hatte sich angekündigt. Dann wurde hier ein großer Markt abgehalten, auf dem Menschen, Elfen, Zentauren, Zwerge und andere Völker ihre Waren tauschten und ihr Wissen teilten. Es war eine friedliche Zeit und niemand wagte es auch nur, einen Zwerg danach zu fragen, die unterirdische Stadt besuchen zu dürfen.

Die Elfen hielten es wie wir und veranstalteten ein ähnliches Treffen vor den Toren ihrer Waldstadt weit im Westen.

Die Zentauren waren Nomaden und zogen über die Ebenen Eurasiens. Sie waren Meister der Kürschnerei und der Lederverarbeitung, was sie auch einigen Zwergen und Menschen beibrachten, die dafür Interesse zeigten.

Menschen waren fast überall anzutreffen und es wurden immer mehr. Einige Stämme wurden sesshaft, andere zogen mit den Jahreszeiten von Nord nach Süd und wieder zurück. Wieder andere Menschen raubten lieber ihresgleichen aus, statt selbst für sich zu sorgen. Für mich die am schwierigsten einzuschätzende Art auf dieser Welt.

Solche Menschen standen dann mit ihren Pferden schließlich vor unserem großen Tor und verlangten Einlass, um sich unsere vermeintlichen Schätze unter den Nagel zu reißen. Sie scheiterten an dem verschlossenen Tor und zogen nach einem Wutausbruch wieder ab.

Das warnte uns Zwerge aber, dass wir uns daraufhin Fluchtmöglichkeiten schufen und Verteidigungsmaßnahmen entwickelten, falls Menschen es doch einmal schaffen würden, die Stadt zu überrennen.

Es dauerte viele Jahre, aber genau das geschah ein weiteres Mal. Die Hunnen hatten uns sozusagen auf das Kommende vorbereitet, auch wenn dies erst knapp eintausend Jahre später durch die Mongolen geschah. Wir hatten dadurch reichlich Zeit, Tunnel zu graben, die die Bevölkerung nach Westen bringen würde. Vielleicht würden die Elfen und helfen, wenn man sie fragte.

Sicher hätten wir auch kämpfen können, aber wir waren friedliche Leute, die sich lieber der Wissenschaft, der Kunst und der Völlerei widmeten, statt Kriege zu führen. Die Wehrhaftigkeit der Zwerge entwickelte sich erst in der darauf folgenden Zeit der Entbehrungen. Doch davon werde ich zu späterer Zeit berichten.

Dieser Platz unterhalb des großen Tores hatte immense Bedeutung für alle Völker, insbesondere für uns Zwerge bedeutete er lebendige Geschichte, die nun von der Natur zurückerobert worden war. Ich war nicht traurig darüber, doch etwas Wehmut nach der alten Zeit machte sich in meinem Herzen breit.

 

„Danke Foret, dass du mich hergebracht hast. Ich erinnere mich gut an diesen Platz. Lass uns die verschlossenen Tunnel finden, damit ich ihnen folgen kann. Ich muss die Spur unseres Volkes aufnehmen, das ist mein Los.“ Er nickte und wir beide erklommen die Stufen hinauf zum großen Tor, begaben uns in den Stollen und verschlossen wieder gemeinschaftlich den geheimen Zugang. Natürlich gab es auch einen Schalter für die Tür innerhalb der Eingangshalle, aber der lag für fremde Augen gut versteckt.

Danach ging es wieder die lange Treppe hinunter zur Bahnstation. Diesmal benutzten wir die andere Linie, die uns hinunter zur Altstadt brachte. Foret saß nun vorn und ich nahm auf dem hinteren Sitz Platz. Die Lore nahm Fahrt auf, rauschte vorwärts und nach einer Weile abwärts, um Kurven herum und auch im Freien, zwischen zwei Gipfeln, über eine Brücke, dann wieder bergab in den Berg hinunter. Wir waren einige Zeit unterwegs, bis der Wagen abbremste und schließlich zum Halten kam. Nachdem wir ausgestiegen waren, verließen wir den mit rotem Gestein ausgelegten Raum durch einen kleinen Torbogen, dem sich eine kleine Treppe anschloss, die einige Stufen abwärts führte. Wir befanden uns dort, wo Hyrasha und ich ankamen, nachdem wir vom Rasthaus die Bahn benutzt hatten. Hinter mir glühten immer noch die Runen über dem Durchgang, den Foret und ich gerade verlassen hatten. Vor mir lag die Bahnstation, mit der man wieder zum Rasthaus hinauf gelangte, rechts ging es die lange Treppe hinunter, die an der kleinen Schmiede vorbeiführte.

Wir folgten der Treppe und erreichten nach einer Weile die beiden kleinen Lorenbahnen. Dort stiegen wir in Richtung der Minen ein und setzten so unseren Weg fort. Vor dem Zugang der Stollen nahmen wir eine Lore, die uns tief in die Minen bringen sollte.

Manche Gänge wurden durch metallene Träger gestützt, andere wurden mit festerem Gestein ausgemauert, um die Standfestigkeit zu erhöhen, aber Holz sah man hier keines. Dass Holz von Zwergen verwendet wurde, kam selten vor, in Takal Dûm nur in den obersten Regionen der Stadt.

Foret bremste die Lore langsam ab und sie lief gegen einen Prellbock, rollte ein wenig zurück und blieb schließlich stehen. Nur bläulich schimmernde Adern im Gestein erhellten spärlich die Umgebung. Der Tunnel ging noch einige Meter weiter, bis er abrupt endete, als würde hier nur die Arbeit ruhen. „Hier befindet sich einer der Zugänge zu den Fluchttunneln, Daril. Mit meinem Vater war ich einige Male hier, damit ich auch ja nichts vergesse. Alle paar Jahre machte ich einen Rundgang durch alle Teile der Stadt, aber alles blieb die ganze Zeit ruhig. Die Natur machte sich breit und es gab ein paar Einstürze hier und dort, aber nichts Schlimmes.“, erklärte mir der Einheimische. „Die Versiegelung der Tunnel kann nur mit Zwergenblut gelöst werden. Das legte der Rat so fest, damit sich niemand Fremdes Zugang verschaffen konnte.“, ergänzte er.

Ich zog mein Taschenmesser, ritzte mir in den linken Ringfinger und berührte die Wand. Die glimmenden Adern erhellten sich zusehends, erstrahlten förmlich in hellem Blau und das Gestein zerbröselte in Zeitlupe zu Staub. Der Zugang zu den Fluchttunneln war offen.

 

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